„Russland hat die Grenzen der Ukraine nie anerkannt!“

Ein Satz der, in der einen oder anderen Form, in den vergangenen Monaten immer wieder gefallen ist. Im Jahr 2014 wurde er bemüht, um die Annexion (man sollte bei der Bedeutung des Wortes kurz innehalten, damit die Dimension begreift) der Krim zu begründen, nun dient er zu Begründung der „militärischen Spezialoperation“. Die Frage ist: Stimmt er in dieser Form, oder besser formuliert: Ist er historisch zutreffend?

Anlehnend an das Buch von Manfred Quiring (welches ich hier auf der Seite bereits vorgestellt habe) und von mir ergänzt einige Bemerkungen:

I. Am 21. November 1990 unterzeichneten zahlreiche Staaten, darunter auch die Sowjetunion, die Charta von Paris, in der die Mitgliedsstaaten sich verpflichten, Zitat:

„Die Gefahr von Konflikten in Europa hat abgenommen, doch es bedrohen andere Gefahren
die Stabilität unserer Gesellschaften. Wir sind entschlossen, bei der Verteidigung der
demokratischen Institutionen gegen Verletzungen der Unabhängigkeit, souveränen Gleichheit oder
territorialen Integrität der Teilnehmerstaaten zusammenzuarbeiten. Dazu zählen illegale Aktivitäten
unter Anwendung von äußerem Druck, Zwang und Subversion.“

Diese Vereinbarung ist damit auch auf die damalige UdSSR und ihre Nachfolgestaaten anwendbar, wozu dementsprechend auch die Ukraine gehört.

II. Mit der Erklärung von Alma-Ata vom 21. Dezember 1991 erklärten die Mitgliedsstaaten der UdSSR; darunter auch die Ukraine und Russland, das Ende des Bestehens der UdSSR und die Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS).

In dieser Erklärung heißt es, Zitat:

„Die unabhängigen Staaten; die Aserbaidshanische Republik, die Republik Armenien, die Republik Weißrußland, die Republik Kasachstan, die Republik Kirgisien, die Republik Moldawien, die Russische Föderation, die Republik Tadshikistan, Turkmenistan, die Republik Usbekistan und die Ukraine, geben

im Bemühen um den Aufbau demokratischer Rechtsstaaten, zwischen denen sich die Beziehungen auf der Grundlage gegenseitiger Anerkennung und des Respekts für die staatliche Souveränität und souveräne Gleichheit entwickeln werden, das unveräußerliche Recht auf Selbstbestimmung, die Prinzipien der Gleichheit und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten, die Ablehnung von Gewalt und der Drohung damit sowie wirtschaftlicher und anderer Formen der Druckausübung, – eine friedliche Regelung von Konflikten, – die Achtung der Menschenrechte und Bürgerfreiheiten ein- schließlich des Rechts der nationalen Minderheiten, – gewissen- hafte Erfüllung der Verpflichtungen und andere allgemein anerkannte Prinzipien und Standards des internationalen Rechts;

in Anerkennung und Achtung der territorialen Integrität eines jeden und der Unverletzlichkeit bestehender Grenzen …

Die Mitglieder der Gemeinschaft garantieren gemäß den verfassungsmäßigen Vorschriften die Erfüllung der internationalen Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen und Vereinbarungen der früheren UdSSR ergeben. Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft sagen zu, die Prinzipien dieser Erklärung strikt zu befolgen. …“

Beachten sollte man dabei, dass dieser Vertrag bereits von Boris Jelzin unterzeichnet wurde, daher auch im vollen Bewusstsein, dass die Krim damals zur Ukraine gehörte, hat der Präsident der damaligen Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik und der spätere Präsident der Russischen Föderation, Boris Jelzin, den Vertrag unterzeichnet.

Im Grunde hatte bis zu diesem Zeitpunkt, sowohl die UdSSR, als auch Russland, die Grenzen der Ukraine bereits zweimal anerkannt.

III. Das Budapester Memorandum vom 5. Dezember 1994 war die Grundlage dafür, dass die Ukraine ihre Atomwaffen an Russland abgibt. Im Austausch dafür wurde Ukraine die territoriale Integrität garantiert, im Übrigen wieder durch Russland und wieder mit der Krim (und den östlichen Staatsgebieten der Ukraine).  Zitat:

„The Russian Federation, the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, and The United States of America reaffirm their commitment to Ukraine, in accordance with the principles of the CSCE Final Act, to respect the independence and sovereignty and the existing borders of Ukraine.

  1. The Russian Federation, the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, and The United States of America reaffirm their obligation to refrain from the threat or use of force against the territorial integrity or political independence of Ukraine, and that none of their weapons will ever be used against Ukraine except in self-defense or otherwise in accordance with the Charter of the United Nations.
  2. The Russian Federation, the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, and The United States of America reaffirm their commitment to Ukraine, in accordance with the Principles of the CSCE Final Act, to refrain from economic coercion designed to subordinate to their own interest the exercise by Ukraine of the rights inherent in its sovereignty and thus to secure advantages of any kind.“

IV. Am 31. Mai 1997 unterzeichneten die Ukraine und Russland einen Freundschaftsvertrag. In diesem wurde erneut die territoriale Integrität der Ukraine, durch Russland, bestätigt, dazu gehörte erneut die Krim und das restliche Territorium. Zitat:

„The High Contracting Parties, in accordance with the provisions of the Charter of the United
Nations and their obligations under the Final Act of the Conference on Security and Cooperation
in Europe, shall respect each other’s territorial integrity and confirm the inviolability of their
common borders.“

V. Am 28. Januar 2003 unterzeichneten Russland und die Ukraine einen Grenzvertrag, der erneut die Krim und alle anderen Gebiete der Ukraine als deren Staatsgebiet bestätigte. Der Präsident Russlands hieß damals, wie heute, Vladmir Putin.

VI. Die Krim wurde, im Jahr 1954, durch „Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjet der UdSSR über die Übergabe des Krim-Gebiets aus dem Bestand der RSFSR an den der Ukrainischen SSR erging am 19. Februar 1954“ an die Ukraine übergeben, ein Vorgang, der damals übrigens kaum eine Reaktion auslöste. Unter verweis auf Punkt II. in diesem Text ist dieser Beschluss damit auch für die Nachfolgestaaten der UdSSR, daher auch für Russland, bindend. Die Behauptung, dass die Krim unrechtmäßig der Ukraine gehörte, ist daher unzutreffend, da Russland selbst die Entscheidungen der UdSSR für gültig anerkannt hat.

Ich hoffe, dass dieser kleiner Überblick dazu anregt, sich selbst über die Hintergründe zu informieren und den kritischen Blick schärft, den man immer haben sollte.

Quiring, Manfred, Russland, Ukraine und Weltmachtsträume, erweiterte Neuauflage, Berlin, Ch. Links Verlag, 2022

Wenn man sich aktuell für den Krieg in der Ukraine interessiert, oder in meinem Fall, allgemein für Geschichte und Politik, kommt man nicht umher, sich auch mehr über die Hintergründe zu informieren, die die Auseinandersetzung betreffen.

Das vorliegende Werk bezieht sich dabei mehr auf die Gegenwart und betrachtet den Konflikt mit einem Schwerpunkt in den Jahren nach 1990 und gerade in den letzten 2-5 Jahren.

Der Autor berichtet auch von Äußerungen von Bekannten in Russland selbst, von der Stimmung bei der normalen Bevölkerung im Land und verweist verstärkt darauf, was Putin und seine engen Vertrauten selbst zum Konflikt beigesteuert haben und wie ihre (enttäuschten) Vorstellungen und ideologischen Grundlagen aussehen.

Die Verbindungen Putins zu seinen alten Seilschaften aus dem KGB und deren Aufstieg in Führungspositionen in Staat und Wirtschaft werden ausführlich erwähnt.

Auch analysiert er die ideologische Grundlage für den Krieg, als eine Neuauflage des alten „Panslawismus“ in der Form, dass die russische Nation, Wissenschaft und Kultur zu Vereinigung aller Gebiete der ehemaligen Sowjetunion berufen sei, obwohl diese ausdrücklich eine Union verschiedener Völker war.

Besonders trägt in diesem Zusammenhang der von Putin und auch von vielen Russen gewollte Gedanke, dass Russland, wie die Sowjetunion, eine Großmacht sei, auch wenn sich dies weder durch den Einfluss, noch durch die Wirtschaftsmacht belegen lässt. Die „russische Seele“, so schreibt er, verlange aber danach, auch wenn Russland heute wirtschaftlich, technologisch und auch (konventionell) militärisch keine Großmacht im internationalen Vergleich ist.

Russland kann nur noch mit seinen Atomwaffen diesen Anschein bewahren, was aber andere Staaten nicht davon abhält, die Meinungen Russlands größtenteils zu ignorieren, da die atomare Karte nur einmal gespielt werden kann und anders, als etwas wirtschaftliche Macht, nicht zu einer dauerhaften Beeinflussung taugt.

Er erteilt dabei auch der Mythos eine Absage, dass Russlands Angriff auf die Ukraine eine Reaktion auf eine angeblich zugesagtes Unterbleiben der Osterweiterung der NATO ist, sondern vielmehr Putins Wunsch entspringt, die Gebiete der alten Sowjetunion wieder unter einem Staat zu vereinen.

Für geneigte Leser mit dem Wunsch, mehr über den Hintergrund des Konfliktes zu erfahren, kann die Monographie für 4,50 Euro bei der BPB erworben waren.

 

Großbölting, Thomas, Die schuldigen Hirten, Bonn, Herder Verlag, 2022

Das Buch ist hier, in der günstigen Form, von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegeben worden.

Das Werk geht inhaltlich auf die Missbrauchsfälle in Deutschland ein, hat seinen Fokus aber in der Aufarbeitung, bzw. deren Fehlen, bei der katholischen Kirche. Es werden nur vereinzelt Schicksale von Betroffenen geschildert, da der Schwerpunkt der Beschreibung auf der Reaktion der Kirche in Deutschland liegt.

Der Zölibat wird dabei nicht als eine der Hauptursachen für den Missbrauch angesehen, da dieser auch in Relation zum Rest der Bevölkerungen gesehen wird, aber, er wird als Ausdruck einer gelebten Überlegenheit der geweihten Priester in der katholischen Kirche verstanden, der einen Standesdünkel erzeugt, der die Akteure dazu bringt, das Amt des Priesters und die Institution der Kirche zu schützen, als den Opfern zu helfen.

Auch der hohe Stand der Priester in der Gesellschaft der 1960er bis 1980er Jahre wird thematisiert, da darin eine Ursache für das Schweigen im in den Gemeinden gesehen wird. Ein deutlicher Hinweis erfolgt auch in Richtung von Dritten, da der Autor einen Missbrauch immer als eine gemeinschaftliche Tat sieht, und gerade nicht als eine Handlung von einzelnen Personen, die in Deutschland bevorzugt betont wird.

Auch die monarchischen, autoritären und kaum öffentlichen Strukturen in der katholischen Kirche werden angeprangert, in denen der Bischof immer noch wie in Monarch über den Gemeinden steht und quasi alle Entscheidungen in seiner Person konzentriert werden.

Insgesamt ein lohnendes Buch für jene, die einen Blick eher auf die Strukturen des Missbrauchs suchen.

Es kann bei der BPB für 4,50 Euro für die 237 Text bezogen werden.

Graham, Benjamin, Intelligentes Investieren, 6. Auflage, München, FinanzBuch Verlag, 2022

Etwas abweichend von meinen sonstigen Interessen, zumindest jenen, die ich auf meiner Website zeige, interessiere ich mich auch für Aktienanlagen.

Ich bin dabei nicht der naiven Ansicht, dass man mit Aktien oder gar daytrading Millionen Euro schöpfen kann, sondern ich habe das bescheidene Ziel, für meinen Ruhestand ein Kapital aufzubauen, dass ausreicht, dass ich im Alter das Leben genießen kann, ohne mit 800 Rente auskommen zu müssen.

Wenn man einen solchen Ansatz verfolgt, ist das Buch von Graham das Richtige. Im Buch werden wenig „Tipps“ gegeben, wie man Aktien kauft. Man wird zunächst belehrt, was man nicht machen sollte, namentlich emotional kaufen und einfach nur kaufen, weil der Kurs an der Börse sich ändert.

Graham steht für das „value investment“, wie auch Warren Buffet. Das Ziel ist es, solide Unternehmen an der Börse zu finden, die ein stabiles Wachstum versprechen. Er grenzt dabei den Investor, der am Unternehmen interessiert ist und den Spekulanten, denen es nur um kurzfristige Gewinne geht, voneinander ab.

Sie sollten dieses Buch vor allem dann lesen, wenn sie sich generell über solides Investment informieren wollen, oder auch, um eine Gegenstimme zu den „Millionären auf Youtube“ zu erhalten, die angeblich in wenigen Tagen an der Börse reich geworden sind.

Wer Zeit für die über 600 Seiten mit Tabellen und Analysen hat, kann für rund 25 Euro das Buch durcharbeiten.

Küng, Hans, Christentum und Weltreligionen, München, R. Piper GmbH, 1984

Wie der Titel bereits anzeigt, handelt es sich hier um ein älteres Buch von Hans Küng.

In dem Buch wird versuchte, eine gemeinsame Grundlage für einen Weltethos zu erarbeiten, indem man sich von den Glaubensgrundsätzen und dem Ursprung der einzelnen Religionen annähert, um Gemeinsamkeiten offenzulegen. Es wird dabei auch die historische Entwickelung rekapituliert und Vertreter der Religionen erhalten die Möglichkeit, ihre Ansichten darzulegen, während Küng darauf aus (seiner) christlichen Perspektive antwortet.

Ich habe das Buch vor allem deshalb gelesen, um einen Überblick über die Religionen und deren Beziehung zum Christentum zu erhalten. Man sollte nicht mit der Erwartung an das Buch gehen, dass man alles versteht oder jede einzelne Religion erläutert wird. Es ist eher ein Werk, welches die Grundlagen anspricht und dazu ermuntert, sich selbst näher mit dem Thema zu befassen und ggf. mit der eigenen Religion, oder dem eigenen Atheismus.

Aufgrund des Alters des Buches ist es derzeitig nur im Antiquariat zu erwerben, für um die 5 Euro.