Birgit Wedekind behandelt in ihrer praxisorientierten Darstellung die vielschichtige Struktur und rechtliche Einordnung des Widerspruchsverfahrens (WS-Verfahren) im deutschen Verwaltungsrecht. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass das Widerspruchsverfahren als vorgerichtliches Rechtsmittel eine zentrale Bedeutung für den effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG besitzt, in der Praxis jedoch zunehmend eingeschränkt wird – was rechtsstaatlich problematisch sei.
Grundlagen und Systematik
Das Widerspruchsverfahren ist in den §§ 68–73 VwGO geregelt, stellt jedoch kein Gerichts-, sondern ein Verwaltungsverfahren dar, das innerbehördlich zur Überprüfung von Verwaltungsakten dient. Es besitzt Suspensiv- und Devolutivwirkung (§§ 68, 80 VwGO), d.h., es hemmt die Vollziehbarkeit und verlagert die Entscheidung ggf. auf eine andere Behörde. Es dient sowohl der Selbstkontrolle der Verwaltung als auch der Entlastung der Verwaltungsgerichte.
Ablauf des Verfahrens
Das Verfahren beginnt mit dem Widerspruch, der schriftlich oder zur Niederschrift zu erheben ist (§ 70 VwGO). Die Ausgangsbehörde prüft zunächst die Zulässigkeit und Begründetheit; ist der Widerspruch begründet, erfolgt die Abhilfe. Wird nicht abgeholfen, ist die nächsthöhere Behörde zur Entscheidung verpflichtet, es sei denn, Ausgangs- und Widerspruchsbehörde sind identisch (§ 68 Abs. 1 VwGO, § 8a AGVwGO). Formale Anforderungen, insbesondere zur Bekanntgabe und Fristberechnung (§§ 41, 57 VwGO, § 222 ZPO), werden detailliert behandelt.
Rechtsschutzfunktion und Grenzen
Die Autorin betont die Bedeutung der materiellen und formellen Rechtmäßigkeit sowie der Ermessensausübung (§ 114 VwGO). Das Widerspruchsverfahren erlaubt eine umfassendere Prüfung als das gerichtliche Verfahren, da dort die Zweckmäßigkeit nicht mehr maßgeblich ist. Auch die sog. reformatio in peius (Verböserung) ist im Verwaltungsverfahren zulässig, bedarf aber einer Anhörung (§ 28 VwVfG).
Bescheid und Kosten
Der Widerspruchsbescheid muss gemäß § 73 VwGO eine Begründung und Kostenentscheidung enthalten. Die Zustellung erfolgt nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG). Auch eine Rücknahme des Widerspruchs ist möglich, hat aber Einfluss auf die Kostenlast. Besondere Aufmerksamkeit schenkt das Werk der Kostenerstattung durch die Behörde bei erfolgreichem Widerspruch und der Frage der Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung (§ 80 VwVfG, BVerwG NJW 1978, 1988).
Sonderfragen und Ausblick
Im letzten Teil widmet sich das Buch speziellen Problemlagen, etwa der Zustellung im Ausland, der Vertretung juristischer Personen oder der Besonderheiten bei Ersatzvornahme und Vollstreckung. Der zunehmende Wegfall des Widerspruchsverfahrens in Spezialmaterien (z. B. Ausländerrecht, Prüfungsrecht) wird kritisch betrachtet und als Aushöhlung rechtsstaatlicher Grundsätze gewertet.
Das Buch umfasst 250 Seiten und ist für rund 30,00 Euro erhältlich.