Damir-Geilsdorf, Sabine, Islamismus, Bonn, BPB, 2024

Das Werk behandelt in systematischer Weise den Begriff und die Entwicklung des Islamismus sowie dessen Erscheinungsformen in Deutschland und weltweit. Ausgangspunkt ist die begriffliche Abgrenzung zwischen Islam als Religion und Islamismus als politischer Ideologie. Islamistische Bewegungen wollen Gesellschaft und Politik nach islamischen Vorstellungen umgestalten, unterscheiden sich jedoch stark in Methoden und Reichweite. Während legalistische Gruppen legale Mittel nutzen, propagieren dschihadistische Strömungen Gewalt und inszenieren sich als Kämpfer Gottes. Dabei wird der Koran selektiv interpretiert, etwa zur Rechtfertigung von Gewalt oder Sklaverei, obwohl er eigentlich Zwang im Glauben verbietet. Antisemitische Deutungen entwickelten sich vor allem im 20. Jahrhundert. Auch der Salafismus, verstanden als Rückkehr zu den „frommen Vorfahren“, stellt eine bedeutende Strömung dar, die sich unter anderem durch äußere Abgrenzung manifestiert.

Historisch wurzelt der Islamismus im späten 18. Jahrhundert als Reaktion auf Kolonialismus und Säkularisierung. Bedeutend waren der Wahhabismus und die enge Allianz mit dem saudischen Königshaus, später die Gründung der Muslimbruderschaft 1928. Mit Osama bin Laden und al-Qaida entstand Ende des 20. Jahrhunderts eine global agierende Terrorbewegung, die schließlich in den Islamischen Staat (IS) mündete, der heute insbesondere in Afrika aktiv ist.

In Deutschland reichen islamistische Strukturen bis in die 1950er Jahre zurück. Mit der Gründung islamischer Gemeinschaften und neuerdings der Deutschen Muslimischen Gemeinschaft (DMG) wurden institutionelle Strukturen geschaffen. Seit den 2000er Jahren spielen Internet und soziale Medien eine zentrale Rolle bei der Verbreitung extremistischer Ideologien. Zwischen 2011 und 2020 reisten über 1.000 Personen aus Deutschland nach Syrien zum IS. Die Behörden unterscheiden zwischen „Gefährdern“ und „relevanten Personen“. Islamistische Propaganda greift häufig einfache Gegensätze auf und richtet sich gegen Demokratie und Selbstbestimmung.

Im Verhältnis zu Demokratie zeigt sich eine gewisse Ambivalenz: Während die islamische Tradition mit der schura (Ratsversammlung) partizipative Elemente kennt, lehnen radikale Strömungen Demokratie als „göttliche Anmaßung“ ab. Dennoch ließen sich in Ägypten und Tunesien moderatere Entwicklungen islamistischer Parteien beobachten.

Der Radikalisierungsprozess wird meist durch persönliche Krisen, Ausgrenzungserfahrungen und ein starkes Schwarz-Weiß-Denken geprägt. Häufig sind die Betroffenen religiös wenig gebildet und konstruieren sich einen fragmentarischen Islam. Besonders anziehend wirkt auf junge Menschen die absolute Ausrichtung des Lebens an einer vermeintlich eindeutigen Wahrheit. Religiöse Gewalt erweist sich dabei als besonders brutal, da sie auf einen jenseitigen Richter bezogen ist.

Prävention erfordert die Vermeidung von Stigmatisierung sowie eine fundierte islamische Bildung, die Verzerrungen entgegenwirken kann. Schwierigkeiten bestehen in der fehlenden institutionellen Verankerung, da es keine „Amtskirche“ gibt und Angebote meist ehrenamtlich getragen werden.

Das Buch umfasst ca. 130 Seiten und kann der BPB bezogen werden.

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