The last testament of Lucky Luciano – Martin A. Gosh & Richard Hammer

Das Buch liegt mir im englischen Original in der Fassung von 1975 vor. Ich habe es von einem privaten Käufer aus den USA bezogen, da es in Europa nicht zu erhalten war.

Es umfasst 450 Seiten Fließtext, wobei es weniger eine Autobiographie ist, als vielmehr eine Biographie über Luciano mit einigen Einstreuungen wörtlicher Zitate.

Das Werk beginnt mit den Eltern und deren Auswanderung in die USA und beschreibt von der Kindheit bis zum Tod den Lebensweg Lucianos.

Den größten Teil des Werkes nimmt dabei seine Zeit in der organisierten Kriminalität ein, dicht gefolgt von seiner Zeit im Gefängnis, in Kuba und in Italien. Ob die im Buch geschilderten Abläufe etc. der Wahrheit entsprechen, dürfte sich kaum abschließend klären lassen. In der Summe wird in dem Buch Lucianos Verbindung zur Unterwelt als eine Geschäftsbeziehung beschrieben, bei der er nur im Notfall auf Gewalt zurückgegriffen hat. Er selbst sah sich als ein Geschäftsmann an, der die schlechte Situation seiner Familie hinter sich lassen wollte, um Geld zu verdienen.

Diese Ansicht taucht auch mehrfach im Buch auf, bereits in seiner Kindheit. Er selbst meinte dazu, dass er nur eine sehr schlechte Bildung genossen habe und seine Bildung auf der Straße fand. Erst später, im Gefängnis, habe er, durch Studium der dortigen Bibliothek, ein breiteres Wissen erlangt. Markant dafür war auch, dass in seiner Familie und in seinem Umfeld nur Italienisch gesprochen wurde und er das Englisch der Straße erlernte, was er später als Nachteil ansah, wenn er mit Menschen konfrontiert wurde, die mehrere Sprachen sprechen konnte und eine fundierte Bildung besaßen.

Das Buch beschreibt dabei nicht nur seine „geschäftlichen Aktivitäten“, sondern geht auch auf seine Beziehungen zu Freunden, Frauen und der Gesellschaft ein, wie auch auf seine Gerichtsverfahren und das Verhältnis zu den Behörden in seinen Aufenthaltsländern.

Wer ein Buch in der Form einer Biographie sucht, die nicht nur auf die organisierte Kriminalität, sondern auch auf die Menschen und die Gesellschaft eingeht, ist hier an der richtigen Stelle gelandet. Zu beachten ist allerdings, dass der Wahrheitsgehalt, wie meist in Autobiographien, nicht als gesichert angesehen werden kann.

Heuer, Hans: 3.500 Tage Unfreiheit

Bei dem vorliegenden Werk handelt es sich um die Autobiographie des Autors, der hier seine Kriegserlebnisse im Zweiten Weltkrieg beschreibt. Als Besonderheit legt er dabei aber kaum bis keinen Wert auf die militärischen Ereignisse, sondern beschreibt hauptsächlich die Eindrücke, die er, als einfacher Soldat, von den Geschehnissen hat.

Die Beschreibung der militärischen Ereignisse tritt dabei nur als Rahmenhandlung auf, während er vor allem die Ausbildung, das Leben und die Ereignisse außerhalb der direkten militärischen Einsätze beschreibt.

Seinen eigenen Angaben nach, basiert das Werk auf seinen Aufzeichnungen und Erinnerungen, wobei er einen Teil davon aus dem Gedächtnis rekonstruiert, da er in der sowjetischen Kriegsgefangenschaft Teile seiner Aufzeichnungen verloren hat.

Die direkte Zeit im militärischen Einsatz macht dabei nur etwa ein Drittel des Buches aus. Der wesentliche Teil besteht aus der Beschreibung der Zeit in der Kriegsgefangenschaft. Am Ende lässt er noch eine Betrachtung der heutigen Situation folgen, indem er auf die einfache Lebensweise der sowjetischen Bevölkerung in den 1940er- und 50er-Jahren verweist und die starke Verschwendung in den westlichen Staaten in der heutigen Zeit kritisiert.

Insgesamt kritisiert er auf der deutschen Seite die starke Orientierung hin zu einem Perfektionismus, während er auf der sowjetischen Seite einen Hang zu Improvisation ausmacht.

Aus der Gefangenschaft berichtet er vor allem über den Hunger, die Entbehrungen und die harten Arbeiten in den ersten Jahren, wobei sich die Lebensumstände der Gefangen mit der Zeit verbessert haben. Als Konsequenz sinniert er darüber, dass die sowjetische Bevölkerung sehr genügsam ist, während er, gerade die heutige, westeuropäische Bevölkerung, als verwöhnt und im Luxus schwelgen sieht, was er aber auch für Deutschland der 1940er Jahre bereits so gesehen hat.

Wer keine „normale“ Kriegsberichterstattung erwartet, sondern die Soldatenzeit aus der Sicht eines einfachen Soldaten sehen will, ist hier an der richtigen Stelle.

Das Buch ist für rund 20,00 Euro im Buchhandel erhältlich.

Teeuwisse, Jo Hedwig, Fake History, Hartnäckige Mythen aus der Geschichte

Das gut 407 Seiten starke Buch aus dem Heyne Verlag ist eine Bereicherung für die Menschen, die nicht immer nur das vermeintliche Allgemeinwissen nachplappern wollen.

Diese „allgemein bekannte Wissen“, welches man sich gerne am Mittagstisch erzählt oder mit dem man vor anderen Menschen glänzt, ist nur allzu oft eine Fehlinformation. Die Autorin nimmt hier 101 „wahre“ Geschichte aufs Korn und belegt, dass dieses „Allgemeinwissen“ unzutreffend ist, später entstand oder bewusst in den Umlauf gebracht wurde, um eine bestimmte Meinung oder Ansicht zu verbreiten.

Das Napoleon klein gewesen sei, Hitler die Autobahnen gebaut habe oder Coca-Cola dem Weihnachtsmann seinen roten Umhang verpasst hat, sind solche Mythen, die sich in der Öffentlichkeit hartnäckig halten.

Die Autorin schreibt dabei sehr offen und locker über diese Erzählungen und lässt auch die Quellen für ihre Informationen erkennen, wenn sie etwa schildert, wie sie das „älteste Photo einer Katze“ geprüft hat.

Die einzelnen Schilderungen sind dabei 1-2 Seiten lang, ausführlicher wird sie nur in wenigen Fällen, sodass die Schilderung dann auch mal 4-5 Seiten umfasst. Insgesamt ist die Länge für die Erläuterung angenehm bemessen und wird anregend erzählt.

Zu den meisten Artikeln sind auch Bilder vorhanden, die einen direkten Bezug zum Text erlauben.

Ein ausführlicher Anhang mit Quellenangaben ist im Buch ebenso vorhanden, wie eine kurze Einführung in die Arbeitsweise der Autorin. Sie beschreibt dort, wie sie Angaben zu ihren Artikeln recherchiert und bereits durch einfache Logik oft Falschmeldungen enttarnt. Etwa, wenn ein Photo angeblich aus dem 16. Jahrhundert stammt, als die Photographie noch gar nicht erfunden war.

Erhältlich ist das Werk derzeitig für 18,00 Euro im Buchhandel.

Schurz, Carl: Lebenserinnerungen

Vorliegend habe ich die zweibändige und gekürzte Ausgabe des Wallenstein Verlages aus dem Jahr 2016 in der zweiten Auflage gelesen.

Bei den Erinnerungen handelt es sich um Aufzeichnungen von Carl Schurz selbst, die er in deutscher und in englischer Sprache verfasst hat, die hier einheitlich in deutscher Sprache wiedergegeben werden.

Die Biographie beginnt dabei mit seiner Kindheit, seiner Familie und seinem Studium und beschreibt auch intensiv die Zeit von 1848 und seine politischen Ansichten. Dieser Teil macht den ersten Band der Biographie aus, der auch seine Immigration nach England und später in die USA enthält.

Der zweite Band legt den Focus dann auf die Zeit in den USA, seine Gespräche mit Lincoln und den Sezessionskrieg sowie den Anfang seiner politischen Laufbahn in den USA, wo der zweite Band dann endet.

Die (Auto-)Biographie ist natürlich sehr aus der Sicht des Autors geschrieben, wobei er in vielen Fällen sehr detailreich seine Eindrücke und Gedankengänge schildert. Vor allem seine Beschreibungen aus der Zeit des Bürgerkrieges, die Berichte zu den Schlachten und den Soldaten und den zwischenmenschlichen Beziehungen sind sehr lesenswert und lenken den Focus weg vom politischen Geschehen mehr hin auf die Ereignisse im Kleinen.

Die Beziehungen zur großen Politik, wie Lincoln, kommen dabei nicht zu kurz. Er beschreibt die Gespräche mit den Größen der Zeit, später auch mit Bismarck und gibt Einblicke in die Themen, die die Zeit bewegten, wie auch den Charakter dieser Persönlichkeiten.

Über seine Familie spricht er nur am Rande, was aber den Fluss der Darstellung sehr zugutekommt, da die Leser wohl eher an den Ereignissen der Zeit interessiert sind.

Positiv fällt auch auf, dass er die allgemeinen Lebensumstände, die Arbeitslage und die Wohnsituationen vor Ort immer wieder beschreibt, was einen Einblick in die Lage der allgemeinen Bevölkerung zulässt.

Gerade für Leser, die an der Geschichte der USA oder primär der deutschen Auswanderer in den USA interessiert sind, dürfte das Lesen sehr lohnenswert sein.

Die Biographie ist im Handel für rund 40,00 Euro erhältlich.

Masala, Carlo, Bedingt Abwehrbereit, Deutschlands Schwäche in der Zeitenwende

Als jemand, der sich sehr für Geschichte und Politik interessiert, sind Sachbücher, wie jenes von Carlo Masala, immer ein besonderes Lesevergnügen, da aktuelle Thema aufbereitet und diskutiert werden. Dies bedeutet natürlich nicht, dass man alle dort geäußerten Meinungen hinnimmt und nicht auch als Fakten dargestellte Informationen prüft, dennoch regt es zum Nachdenken an, was immer ein geistiger Genuss ist.

Das Buch schlägt dabei einen großen Bogen, von der Gründung der NATO über die Verteidigungspolitik im Kalten Krieg und legt seinen Schwerpunkt dann auf die aktuellen Konflikte, vornehmlich jenen in der Ukraine, spricht aber auch den Konflikt im Gazastreifen an.

Der Schwerpunkt der Betrachtungen liegt dabei auf der Verteidigungspolitik Deutschlands bzw. deren Fehlen. Der Autor legt dabei offen, wie sehr sich Deutschland auf den Schutz durch die USA verlässt, ohne ein eigenes, militärisches Potenzial vorzuhalten, welches zur Verteidigung gegen einen Angriff, etwa durch Russland, geeignet wäre.

Als Hauptproblemen werden dabei die fehlende Finanzierung der Bundeswehr benannt, die auch mit dem „Sondervermögen“, nicht ausgeräumt werden, die fehlende politische Strategie und der Unwillen, der Bevölkerung mitzuteilen, dass man in einer kriegerischen und instabilen Welt lebt.

Interessant sind auch die Überlegungen zur Thematik, ob die Deutschen überhaupt wehr willig sind, da man sich an eine „Friedensdividende“ gewöhnt hat, wonach dem Militär, weder in Schule noch in der Gesellschaft, eine tragende Rolle eingeräumt wird.

Die mangelnde Ausrüstung der Bundeswehr, die Weigerung, 2 % des BIP in die Rüstung zu investieren und das fehlende Konzept für die Bundeswehr haben dazu geführt, dass Deutschland heute kaum mehr Kriegsbereit ist.

Allein der Begriff des Krieges wird von der Politik kaum verwendet, auch wenn, wie man in der Ukraine sieht, er von einem auf den anderen Tag zur Realität werden kann. Deutschland hat, auch aufgrund des Zweiten Weltkrieges, eine Grundhemmung, sich über Gewalt und militärische Stärke zu verständigen, die aber für eine wirksame Außenpolitik erforderlich ist.

Der Fakt, dass das diplomatische Gewicht eines Landes gerade auch von der militärischen Stärke abhängt, wird in Deutschland weder gerne gesehen noch anerkannt.

In der Summe ist das Buch dazu geeignet, ggf. das eigene Denken anzuregen und sich auch mit der Situation von Deutschland in der Welt, seine Wirtschaftsmacht und seiner fehlenden Militärmacht zu beschäftigen.

Das Buch ist für 18,00 Euro im Handel erhältlich und umfasst 206 Seiten.

Der Nahostkonflikt von Muriel Asseburg und Jan Busse

Aufgrund der aktuellen Ereignisse im Nahen Osten wollte ich mich auf den aktuellen Stand bei, Konflikt bringen. Die hervorragende Qualität der Bücher aus dem C.H. Beck Verlag Wissen sind für mich immer dann eine gute Wahl, wenn ich kompakt über ein Thema in formiert werden möchte.

Im Nahostkonflikte, gerade mit dem Angriff der Hamas auf Israel, kann man die politische Debatte über das Thema nur sehr vorsichtig führen, wenn man nicht automatisch, gerade in Deutschland, in den Verdacht gelangen will, Israel nicht genug zu unterstützen und „Sympathien“ für die Palästinenser zu haben.

Meiner Ansicht nach muss man hier stark unterscheiden, zwischen den „Juden“ oder „Israelis“ und der „Hamas“ und den „Palästinenser“. Keine der Familien die dort leben, egal ob in Israel oder im Gazastreifen will, dass die eigenen Kinder sterben, die eigenen Mütter, Väter, Brüder und Schwestern. Die aktuelle Eskalation ist das Ergebnis eines Konfliktes, der bereits seit der Gründung des Staates Israels andauert. Seit Menschen, wie Jitzchak Rabin fehlen, scheint der Konflikt eingefroren zu sein, eine Lösung ist nicht in Sicht und entlädt sich in immer neuen, schrecklichen, Auseinandersetzungen.

Das hier vorliegende Buch betrachtet diesen Konflikt, durchaus kritisch, von beiden Seiten. Es verweist auf den eingeschlafenen Friedensprozess, die Dominanz Israels in der Region und die fehlende Macht der Palästinenser, lässt aber auch deren Anschläge und Versagen in der Zusammenarbeit mit Israel nicht aus. Es ist kein Werk, dass mit dem Finger auf den einen Guten und den einen Bösen zeigt, sondern es differenziert sehr stark zwischen beiden Lagern und verweist darauf, dass es auch bei den „Palästinensern“ und den „Israelis“ unterschiedliche Strömungen und Meinungen gibt.

Es gibt einen soliden Überblick über die Besiedlung des Gebietes, die Einwanderungen der jüdischen Bevölkerung seit dem 19. Jahrhundert und die Beschlüsse der UN und die Intervention der Briten und später der USA in dem Gebiet.

Eine Analyse der Lebensbedingungen und der unterschiedlichen Ausrichtungen der Parteien in der Region und der Anführer, wie auch der Konflikte zwischen den Staaten in der Region runden das Bild ab.

Sehr lesenswert ist am Ende des Buches, welches 118 Text, Karten und eine Zeittafel aufweist, die Analyse, dass in der Realität die immer wieder betonte Zweistaatenlösung de facto nicht umgesetzt wird und auch als sehr unwahrscheinlich in der Zukunft betrachtet werden kann.

Auch der Konflikt um Wasser, urbares Land und die Grenzkonflikte Israels mit den Nachbarländern und die Beziehung der Palästinenser zu den anderen islamischen Staaten werden diskutiert.

Das Buch ist daher für alle zu empfehlen, die, abseits von TikTok und Talkshows, sich eine solide Grundlage für die weitere Beschäftigung mit dem Thema schaffen wollen.

Erhältlich ist das Werk für derzeitig 12,00 Euro im Buchhandel.

Der Club Dumas von Arturo Pérez-Reverte

Bekannter als das Buch selbst dürfte seine Verfilmung in Form des Werkes „Die Neun Pforten“  sein. Auch wenn die Verfilmung die Handlung sehr vereinfacht und vom Buch auch stark abweicht, hat sie einen Vorteil: sie weckt das Interesse an dem Buch selbst.

Die Handlung des Werkes ist recht einfach umrissen: Corso, ein Mann, der für wohlhabende Sammler Bücher aufspürt und ihnen beschafft, wird mit der Fall betraut, die Echtheit eines Buches „Die Neun Pforten“ zu prüfen. Aufhänger dafür ist im Roman selbst aber die Prüfung der Echtheit von Dokumenten, die von Alexandre Dumas stammen, dem Autor des Buches „Die Drei Musketiere“.

In der Folge entspinnt sich dann die aus der Verfilmung bekannte Jagd nach dem Buch und die Untersuchung der Echtheit des Werkes. Die Abweichungen zum Buch besteht darin, dass die Namen verändert wurden und die Handlung im Buch selbst deutlich länger andauert und verwickelter ist. Man wird deutlich tiefer in Gespräch über alte Literatur und die Ausdeutung der Werke verwickelt, als dies in der Verfilmung zum Tragen kommt.

Interessant ist der Roman vorwiegend für jene Leser, die selbst eine starke Leidenschaft für alte Bücher haben und sich von dem Zauber von altem Papier und von Geheimnissen zwischen den Seiten faszinieren lassen wollen. Das Rätsel um „Die Neun Pforten“ wird im Roman selbst eher relativiert, da man eher die Suche nach den Manuskripten von Dumas in den Focus rückt. Auch das Ende ist weniger dramatisch als in der Verfilmung, da hier das letzte Bild aus dem Buch fehlt und Boris Balkan sich nicht verbrennt, sondern das Ritual zur Beschwörung Luzifers schlicht nicht funktioniert.

Der Roman ist insofern fordernd, als die Handlungen komplex sind und man aber dennoch immer das Gefühl hat, mehr erfahren zu wollen.

Eine Empfehlung ist das Buch für Fans von historisch inspirierten Romanen, die sich, lose an die echte Geschichte angelehnte Gegebenheiten, in einer spannenden und mysteriösen Erzählung gefangennehmen lassen wollen.

Welzer, Harald, Zeitenende, Politik ohne Leitbild, Gesellschaft in Gefahr

Als Liebhaber von Sachbüchern aus dem S. Fischer Verlag konnte ich mir das neueste Werk von Harald Welzer nicht entgehen lassen.

Das Buch beschäftigt sich primär, auch in anlehnend an vorangegangene Werke des Autors, mit der Frage, ob die Politik in Deutschland noch einen Bezug zur Lebenswirklichkeit der meisten Menschen im Land hat. Besonders spricht der Autor dabei die Frage an, ob die in der Ampelkoalition diskutierten Themen, wie das Gender oder das „Heizungsgesetz“ überhaupt der Nerv der Zeit treffen, daher für die Masse der Bevölkerung relevant sind. Wenig überraschend kommt er dabei zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall zu sein scheint.

Besonders negativ erscheint ihm dabei, dass es einen Konsens in den Medien und in der Politik gibt, was als richtig zu gelten hat. Dieser Konsens wird, unausgesprochen, auch gelebt, etwa wenn es um Waffenlieferungen an die Ukraine geht. Anstatt das Für und das Wieder dieser Lieferungen zu diskutieren, werden diese als notwendig dargestellt und bei einer abweichenden Meinung wird nicht gefragt, wieso dies so ist, sondern wie man die Bevölkerung von der „richtigen“ Meinung überzeugen kann.

In Bezug auf den Klimawandel merkt er an, dass es eine massive Verkürzung der Debatte nur in Bezug auf CO2-Neutralität gibt. Dass aber andere Aspekte, etwa die Umweltzerstörung und Belastung durch die Gewinnung von Rohstoffen ausgeblendet werden, die etwa für die Produktion von Batterien für die E-Autos erforderlich sind.

Er schlägt dabei auch eine Brücke dazu, dass gerade die Grünen einen Hang dazu haben, die Bevölkerung belehren zu wollen. Sie würden dabei einen Habitus versprühen, dass sie immer im Recht seien, und die ungebildete Masse der Bevölkerung erst an ihre einzige Wahrheit heranführen müssen. Da sie selbst der Meinung sind, dass sie nie falsch liegen, nehmen sie die Argumente anderen Menschen dabei nicht wahr, sondern gehen eben daran, diese „falsche“ Meinung zu ändern. Dies ist beim Gender, beim Vegetarismus oder dem Heizungsgesetz ebenso, wie bei der Atomkraft.

In diesem Zusammenhang verweist er auch auf die unglaubliche Umweltverschmutzung durch Kriegshandlungen, etwa in der Ukraine, aber auch in Friedenszeiten durch das Militär, was aber in der öffentlichen Debatte immer ausgeblendet wird.

Er kritisiert auch selektive Wahrnehmung der Welt in Deutschland, wenn nur aus einer europäischen und spezifisch deutschen Sichtweise auf die Welt geblickt wird, Ereignisse auf der Südhalbkugel oder dort wichtige Ereignisse in Deutschland in den Medien aber keine Rolle spielen. Er verweist dabei darauf, dass 85 % der Weltbevölkerung im globalen Süden leben, diese aber nur zu 11 % in deutschen Medien Platz erhalten (S. 172).

Er kritisiert auch, dass die Parteien immer mehr in die Mitte der Gesellschaft drängen und deren Konzepte und Lösungen und Themen sich immer mehr ähneln (CDU, FDP, Grüne, SPD), sodass am Rande der Politik Parteien wie die AfD entstehen können, die einfach aus Trotz gewählt werden, da man von den anderen Parteien ohnehin keine Lösung mehr erwartet.

Besonders kritisiert er dabei (S. 205), dass die Politk sich über die Menschen erhebt und dabei so tut, als seien die Bürger unmündige Kinder, die man „abholen“ muss und auf „Augenhöhe“ mit den Menschen zu reden hat, was, wenn man dies sagen muss, ja scheinbar nicht tut.

Auch Ansätze eines Gesellschaftsrates sieht er, bei allen Vorteilen, kritisch, wobei er auf den bekannten Fakt verweist, dass bei solchen Veranstaltungen sich immer die gleichen Menschen engagieren, nämlich die Wohlhabenden und politisch ohne engagierten Menschen, sodass die Masse der Bevölkerungen eben nicht zu solchen Versammlungen geht.

Kritisch merkt er an, dass die Demokratie von Beteiligung und Interesse lebt und die breite Masse der Bevölkerung sich dafür nicht interessiert und keine Kenntnisse davon hat, wie der Staat und seine Institutionen aufgebaut sind und wie diese funktionieren.

Als markante Zahlen weist er aus (S. 237), dass 88,6 % der Befragten in der Bevölkerung angeben, dass Politiker mehr versprechen, als sie halten können. Weitere 84,3 % geben an, dass Politiker nur bis zur nächsten Wahl denken.

Am Ende kritisiert er vor allem die Situation im Bildungssystem. Die IT-Systeme der Schulen sind marode, die Gebäude ebenso. WiFi existiert in Schulen faktisch gar nicht, sodass die Schulen bereits den Eindruck vermitteln, dass er der Gesellschaft egal ist, wie die Menschen lernen, Hauptsache durch und gut. Und dann erwarte die Politik, dass neue Höchstleistungen auf dem Bildungssektor erbracht werden, Stichwort: PISA-Studie.

Erschreckend ist ein Hinweis auf Angaben der Kultusministerkonferenz (S. 242), dem nach ist der Bedarf an Lehrer in Mathematik in NRW bis 2030 nur zu 37 %, in Chemie zu 26 % und in Informatik zu ganzen 4,6 % gedeckt. Umgekehrt gesagt: Es fehlen rund 95 % der Lehrkräfte im Fach Informatik und immerhin stolze 63 % im Fach Mathematik.

Zum Schluss konstatiert er, dass es auch an Räumen fehlt, in denen Menschen Gemeinschaft auch leben können und nicht nur immer darüber geredet wird. Einer dieser Räume, in denen sich Menschen aus unterschiedlichen Schichten begegnen, ist die Schule, die so wenig Aufmerksamkeit erhält, denn: Kinder sind keine Wähler.

Insgesamt ein sehr lesenswertes Buch, auch wenn man nicht alle Einzelheiten teilen muss. Es regt an, kritisch zu denken.

Es ist zum Preis von 24,00 Euro bei, S. Fischer Verlag zu beziehen.

Ginsburg, Tobias, Die Reise ins Reich, Bonn, Rowohlt Verlag, 2023

Seit längerem beschäftigt mich, sowohl beruflich als auch privat, die sogenannte „Reichsbürgerbewegung“. Interessant daran finde ich, wie man so viele Menschen von einer fixen Idee überzeugen kann. Dort treten selbsternannte Könige, Grafen, geschäftsführende Reichsregierungen und Selbstverwalter auf und finden tatsächlich Menschen, die dies alles ernst nehmen.

Das Buch ist dabei eher eine eher locker geschriebenes Werk, welches auch oft in die Alltagssprache abdriftet.  Man sollte hier also keine solide historische oder soziologische Studie erwarten, sondern der Autor, ein Journalist, beschreibt seine Erfahrungen, die er, verdeckt, in der Szene sammelt. Was besonders fasziniert ist, wie einfach es scheinbar war, sich, mit etwas rechtem Gedankengut und einer schnell zusammengeschriebenen Facebookseite, in der Szene Vertrauen zu erschleichen und als einer der ihren in deren Gedankenwelt aufgenommen zu werden.

Bedauerlich ist, was im Buch auch an mehreren Stellen erwähnt wird, dass es etliche Mitläufer gibt, die von den „Reichsbürgern“ verführt werden, ihre Lebenszeit, Arbeitskraft und ihr Vermögen in diese Sache investieren, damit die Führungskräfte, wie Peter Fitzek und sein Königreich, das Geld für die eigenen Zwecke verwenden können. Man hat oft das Gefühl, was der Autor auch selbst beschreibt, dass man den Menschen eigentlich helfen will, dies aber einfach nicht schafft, da diese sich ganz mit der Bewegung identifizieren, da sie in der normalen Gesellschaft bis dato keine Erfolg hatten und sich nun erstmals ernst genommen fühlen.

Zur Besorgnis gereicht dabei, dass scheinbar eine enge Verbindung zwischen Teilen der „Reichsbürger“ und Teilen der AfD besteht, sodass die Partei und die Szene sich austauschen und auch gegenseitig unterstützen. Auch die vom Autor beschriebenen offene Worte, man sich allein wähnt und auch der Alkohol etwas geflossen ist, die dann von Atomkriegen, einer Neubesiedlungs Ostpreußens durch Deutsche und Wehrsportgruppen reden, macht deutlich, dass diese Gruppe eben nicht nur aus seltsamen Leuten besteht, sondern auch reale Gefahren lauern.

Das Buch ist dabei sehr locker geschrieben und für einen Einblick in die Szene und Gedankenwelt gut geeignet, gerade weil es eher auf praktischen Erfahrungen basiert, als auf einer wissenschaftlichen Forschung.

Das Werk kann derzeitig für 4,50 Euro bei der BPB erworben werden.

Sturm, Roland (Hrsg.), Länderbericht Großbritannien

Wie auf meiner Website bereits häufiger habe ich erneut einen Länderbericht von der BPB gelesen.

In diesem Fall über Großbritannien, oder, wie man als Deutscher auch sagen kann, über unsere Verwandten von der Insel.

Der Länderbericht fasst, wie alle Werke dieser Reihe, Kultur. Gesellschaft, Wirtschaft und Politik in einer angenehmen Länge zusammen und erlaubt einen ersten Einblick in den Aufbau und das Funktionieren des Landes, mit dem er sich befasst.

An diesem Bericht fällt dabei negativ auf, dass der Teil über den englischen Sport, im Vergleich zu Wirtschaft und Politik, doch etwa lang geraten ist. Es ist hier die Frage, ob ein Leser, seitenlange Abhandlungen über Fußball und Cricket lesen möchte, oder nicht doch eher, wenn er schon zu so einem Buch greift, mehr über Wirtschaft, Gesellschaft und Geschichte erfahren möchte.

Davon abgesehen erbringt das Werk wiederum eine solide Grundlage, die die Möglichkeit lässt, sich vertieft mit einzelnen Aspekten zu beschäftigen.

Besonders gelungen sind dabei die Abhandlungen über das britische Gesundheitssystem und das Schulsystem, welche in der Welt eine große Beachtung finden, im Positiven wie im Negativen.

Der Konflikt in Nordirland und die Umwandlung das British Empire in das Commonwealth werden relativ kurz angesprochen, wobei die Darlegungen ausreichen, um sich, bei Interesse, selbst damit zu befassen.

Das Buch wurde dabei vor 2020 beendet, sodass der Brexit und seine Konsequenzen nur angesprochen werden konnten. Sehr interessant war dabei die Darlegung im Buch, wie die Medien die EU dargestellt haben und wie viele Briten nur sehr oberflächlich über die EU und ihre Funktionsweise informiert waren.

Das politische System und die Monarchie erscheinen eher in der Form einer historischen Abhandlung, ohne das vertieft darauf eingegangen wird.

In der Summe kann ich diesen speziellen Länderbericht, der für 4,50 Euro bei der BPB zu beziehen ist, nur als groben Überblick empfehlen, es fehlt ihm eine gewisse Tiefe, die bei anderen Ländeberichten besser gegeben war.